Dreieinhalb Jahre. So lange haben wir nach einer neuen Wohnung gesucht. Eine harte Probe für Freunde, die unsere detailliert beschriebenen Besichtigungen, Berichte über Lage, Schnitt, Kommunikation mit vermeintlichen Vermietern und so weiter aushalten mussten. Das haben wir schon in ihren Augen gesehen, dieses Mitgefühl, mit einer Hoffnung gefüttert, dass wir endlich „Das ist es!“ sagen und ein anderes Thema auf dem Horizont erscheint: Renovierung.
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Eine Odyssee, wie wir es jetzt rückblickend locker erinnern, einmal haben wir sogar Punkte auf die Karte gesetzt und es stellte sich heraus, es waren gut 110 Besichtigungen. Wenn wir jetzt in der Gegend spazieren gehen, lachen wir oft: Hier waren wir im zweiten Stock, das hier hatte diese fantastische alte Tür, dieses Haus kennen wir auch, hier hätten wir fast gewohnt. Oder: Hey, das haben wir noch nicht auf der Karte, hier war doch auch was!
Die Suche war entspannt, zumindest am Anfang. Ab und zu hörten wir Gerüchte, dass jemand irgendwo die erste gesehene Traumwohnung gleich gekriegt hat, nöö, das wäre viel zu einfach für uns. Obwohl nach drei Jahren wäre es auch OK gewesen.
Unsere Wunschliste war keine Sache der Unmöglichkeit: Der Stadtteil, in dem wir auch bisher lebten. Altbau. Hohe Decken. Möglichst nicht verbaut. Gerne alte Substanz in ihrer ganzen Imperfektion. Licht. Grün. Dusche. Möglichst keine Einbauküche. Holzfußboden. Balkon, ganz wichtig. Trockener Keller.
Was das für eine tolle, aufgeregte Zeit war, wir haben alle Höfe in unserem Kiez gesehen, ein Privileg von denen, die nicht nur die Straßenseite betrachten. Maklervermietungen oder privat. Manche möbliert und noch bewohnt (dieser ganz komische Zwischenzustand, wo das Hab und Gut von fremden Menschen bald in die Kartons wandern sollte, aber noch nicht…). Oder leer, saniert, überpinselt, verschlimmbessert, shabby mit wenig Schick, abenteuerliche Leitungen, alles dabei.
Diese theoretischen Versuche, sich in der gegebenen Situation zu sehen, virtuell zu möblieren, hier käme der Schrank und da der Schreibtisch…
Ein paar Mal haben wir uns Daumen gedrückt was das Zeug hält, was nicht geholfen hat.
Bei den bewohnten Orten immer diese seltsame Stimmung. Wer auch mal Kandidaten in eigene Privatsphäre reinlassen musste, kennt die angespannten Blicke, verklemmte Gestik. Einmal haben wir sogar sogar Mieter erlebt, die uns geheim zugeflüstert haben, nein, tut euch das nicht an, die Vermieter sind schlimm, deshalb ziehen wir weg…
Diese Gelegenheit, beobachten zu können, wie andere Leute wohnen, ist für mich immer toll.
Ich kenne meine Stadt, die Wohnungstypen darin, hatte immer Glück, gute Substanz zu erwischen. Eine gewisse Statistik entsteht im Kopf, ob ich das will oder nicht.
Die wenigsten Menschen haben die Möglichkeiten, etwas zu wagen, was untypisch ist. Oft erinnerten manche Ecken an die vom schwedischen Einrichtungshaus, ich meine nicht dass es schlimm ist. Vielleicht sind die Vorschläge dem Leben so nah und werden 1:1 übernommen? Das ist auch ein Zeichen für Austauschbarkeit, die urbanen Nomaden können jederzeit nach Göttingen oder München versetzt werden und dort wird das alles genauso passen.
Wenige Menschen haben Mut zur Farbe, und wenn doch, dann ist es oft nur die eine Wand.
Was uns wirklich irgendwie doch überrascht hat, die seltensten Menschen leben mit Kunst.
Damit meine ich irgendwas Echtes, keine im Kopierladen bedruckte Leinwand mit Strandmotiven oder als Bilder missverstandene Massenware. Etwas Echtes ist doch gar nicht unbedingt teuer. Kann, keine Frage, muss aber nicht. Also warum? Unsicherheit? Kein Bedürfnis? Keine Meinung? Schade! So direkt konnte man nicht fragen, dafür aber umso schöner war es zu plaudern, wenn sich vor uns eine überraschende Welt eröffnet hat, wo ein Erbstück oder Druck oder Ölbild (mit Rahmen oder ohne) uns begrüßte. So eine Erleichterung, es geht doch. Wie ein Regal voller Bücher, das ist auch nicht oft der Fall.
Die Wohnungen waren meistens von jungen Menschen oder Familien bewohnt, sind Bilder und Bücher für ältere Semester reserviert? Gleichzeitig handelte sich nicht um minimalistische Orte, was die Menge an Konsumartikeln verraten hat.
Das waren wirklich abenteuerliche Jahre, kaum eine Woche ohne die Aufregung, wieder eine neue Tür öffnen zu dürfen. Bis sich die geöffnet hat, hinter der wir heute leben und jeden Tag darüber froh sind. Das wünsche ich allen, die gerade jetzt auf der Suche sind: Ausdauer, Spaß, nicht zu viele Kompromisse, und am Ende ein Schlüsselerlebnis. Eine neue Wohnung ist immer eine Chance. Und dann, wenn alles schon fertig ist und die Wände nicht mehr mit Umzugskartons voll gestellt sind – support your local artist!
(Alle Bilder sind Aquarelle ©Magda Jarzabek, 2020)