Neulich habe ich Tiere auf Porzellan entdeckt und fotografiert.
Ich habe mich umgeschaut. Es gibt noch mehr davon, wir sind befallen. Aus jeder Ecke werden wir angeguckt, in der Speisekammer sitzt ein Fisch auf der Waage und ein Pferd schaut aus dem Schlafzimmerfenster auf die Straße.
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Wenn ich gezielt meine Filter darauf einrichte, entdecke ich noch viele Tiere. Keines davon niedlich, vielmehr ernst zu nehmende Charaktere, die ihre (unsere?) Territorien unter sich verteilt haben und an ihren Posten sitzen. Zumindest, wenn wir da sind.
Welche Rolle spielen sie hier, so verteilt und bestimmt nicht auf irgendwelche Kinder wartend, die mit ihnen womöglich spielen würden? Mit einem Augenwinkel werden sie ständig wahrgenommen. Sie scheinen miteinander gut vernetzt zu sein. Sind sie für uns ein Ersatz für lebende, „richtige“ Tiere, die in dieser Wohnung (bis auf die zwei Bänderschnecken) nicht mit uns sein können? Doch wir wollten keine Tiere haben, hier mitten in einer Stadt, haben ist sowieso ein falsches Wort dafür, wir können uns hier nicht von einer Katze besitzen lassen oder einem nassen Hund nach jedem Spaziergang die Pfoten trocken putzen. Irgendwo draußen, wäre es vielleicht keine Frage, hier ist es klar.
Die hier abgebildeten Begleiter sind kein Ersatz, das ist schon mal sicher, sie sind eigenständige Wesenheiten und wer weiß, Schutzgeister? Vielleicht sind sie aber eine ständige Erinnerung, Botschafter der Welt da draußen, mit der wir zur Zeit scheinbar keine direkte Verbindung haben. Die uns erinnern, hey, Meisenknödel auf dem Balkon zu hängen und sich auf deren zunehmendes Abnehmen zu freuen, das ist noch nicht genug. Fette Hummel zu beobachten, jede Spinne vorsichtig raus zu tragen, auch das nicht. Es gibt aber eine Welt, die uns braucht und wir brauchen sie.
Das Bewusstsein, dass wir alle zusammen zu einem System gehören, verliert sich oft im täglichen Leben. Jetzt wo die Reisen eingeschränkt sind, bewundern wir auch weniger Exotik und unser Territorium, so geschrumpft, scheint von den Savannen, Taigen und Tundren, geschweige denn Regenwäldern, sehr fern zu sein. Das täuscht.
Manche Worte, die zu oft gehört werden, fangen an, sich aufzulösen, die Kraft zu verlieren. Nachhaltigkeit. Klimawandel. Artensterben. Biodiversität. Das darf aber nicht passieren und gerade jetzt müssen wir es im Hinterkopf haben: Es geht weiter.
Vernichtung wird in Fußballfeldern gemessen, Arten werden zwar noch entdeckt, das macht die Statistik besser, aber die Prognosen…
Hier wollte ich schreiben, dass bis 2050 eine Million Arten nicht mehr da sein werden, seit den 70er Jahren starb 60% der gesamten Population der wilden Tiere.
Allein letztes Jahr hat die sog. Menschheit 11 Millionen Hektar Urwald vernichtet, inklusive der Flora und Fauna. Das sind Zahlen der Wildnis. Dazu das Leiden der Tiere, die Menschen züchten. Die Aufzählung der Gräueltaten hätte kein Ende, ich denke auch nicht, dass ich das hier schreiben will, denn ich habe es mir vorgenommen, positiv zu bleiben, was bei dem Thema keine so leichte Aufgabe ist.
Eine Persönlichkeit, die weltbekannt ist durch die Naturfilme seit mehreren Dekaden – Sir David Attenborough, startete neulich, im Alter von 94 Jahren, ein Instagram Account, das sofort von Millionen abonniert wurde. Diese Nicht-Glam-Promi-Popularität fand ich unfassbar erfrischend. Es ist vielen Menschen wichtig, das ist doch ein gutes Zeichen? Hoffentlich sind da ein Paar Firmenchefs und Macher dabei, die tatsächlich im großen Stil ihren guten Einfluss ausüben können.
Seine Filme haben sich im Laufe der Jahrzehnten parallel zu dem Rezept gewandelt, wie eine Naturdoku zu machen ist. Die frühen Streifen mit ihrem, heute undenkbaren, scoutigen Entdeckergeist, Tierchen in der Hand als „dieser kleine Kerl“ vorgestellt. Heute, dank technischen Möglichkeiten sind sie mit einem, ich möchte hoffen, respektvollem Abstand gedreht.
„A Life On Our Planet“, sein aktueller Film, ist wider Erwarten sehr positiv, macht uns trotz allem noch Hoffnung, dass wenn sich jetzt was ändert, hat das Ganze – inklusive uns – als System noch eine Chance. Und er argumentiert, dass wir es auch für uns selbst tun müssen, klar, aber wären wir nicht direkt in Gefahr hätte es weniger Bedeutung?
Unsere Begleiter auf den Regalen, ob wild oder domestiziert, sind bei uns sicher und sind uns wichtig. Sie beschützen uns, wir beschützen sie. Wie sieht es bei euch aus, habt ihr auch solche Mitbewohner? Versuchen sie auch, die Verbindung mit der Welt herzustellen?
Die Tier-Kolumne gefällt mir.
Das freut mich! Bist Du auch… befallen?
Hi Magda,
was für ein berührender Text. Habe viele deiner Tiere wiedererkannt. Und wie sieht es bei mir aus? OH JE, kein Schutztier, kein Pferd schaut aus dem Fenster. Oj je, keine Tiere in der Whg. Doch! Ich habe- ich habe einen Hund, er heißt Willem und ist mein Ja-sager. Steht auf dem Kühlschrank. Und siehe da, noch ein Tier. Eine Eule steht auf dem Regal auf dem Balkon. Nun bin ich aber froh, dachte im ersten Moment da wäre nichts. Und nun, gleich 2 Haustiere.
Danke! Also uff, doch. Ein Ja-sager ist eine super praktische Hunderasse!