Eigentlich brauche ich einen Sauraum. Zum herumsauen. Gerade jetzt, wo mein Arbeitsraum ein Zimmer in einer Mietwohnung ist, halten sich meine Freiheiten in dieser Beziehung in Grenzen, mein Traum vom Sauraum lodert leise vor sich hin. Umso dankbarer bin ich, dass ich einen Arbeitstisch im Atelier habe, der Einiges abkann, und das auch schon sehr lange.
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Ein guter Tisch ist für mich nicht nur ein Begriff, es ist ein Gefühl.
Mein Arbeitstisch ist besonders mit Emotionen beladen, und das auf vielen Ebenen.
Er ist ein mal zwei Meter groß, jede Menge Platz. Idealerweise steht er in der Mitte des Raums, so dass ich drumherum laufen kann. Im Moment ist es nicht so und der Platz an der Wand muss reichen, der Tisch wird nur bei Bedarf herausgezogen.
Es war ein Geschenk von einem lieben Freund, der viele Spuren seiner künstlerischen Arbeit auf der Oberfläche hinterlassen hat. Inzwischen auch eine Erinnerung an ihn, denn leider ist er nicht mehr unter uns.
Der Tisch zog bei mir vor gut zwanzig Jahren ein, war seitdem immer im Mittelpunkt und sammelte so weitere Linien und Farbflecke, die von dem Freund stammenden verschmolzen mit meinen. Dass darauf viele Linien und Risse zu sehen sind, finde ich jetzt nicht schlimm, ein gewisser Partnerlook ist da, wenn ich meine Falten im Spiegel sehe.
Bei manchen Arbeiten darf die Umgebung nicht steril sein, das Aufpassen, dass bloß nichts dreckig wird, verkrampft nur. Eine bewegte Fläche nimmt einem Ängste und Hemmungen, so wie sie der Anblick von einem weißen Blatt Papier wecken kann – Spuren haben etwas Vertrautes, eine makellose Fläche hingegen baut Barrieren auf.
Ich beobachte, dass Leute, die den Tisch sehen, ein Bedürfnis haben, seine Oberfläche anzufassen, mit der Hand darüber zu streifen.
In einem „Es ist mir alles zu viel“ Moment habe ich überlegt, die Fläche zu sanieren, zu spachteln und abschleifen oder zu überstreichen, die Idee hat zum Glück nicht lange gehalten. Die Fotos heute sind eine Einladung zum Entdecken der besonderen Momente. Solange ich keinen Sauraum habe, bleibt es dabei, der rechteckige, Farben wechselnde Ausnahmezustand zwischen dem Apothekerschrank und dem Schubladenschrank.
Ich habe die Fotos von den auf der Tischplatte gefundenen Motiven auch schon ausgestellt, als Ehrung und Überraschung, dabei musste ich feststellen, dass manche Bilder mich wirklich neidisch machen, ob ihrer ungezwungenen Komposition oder der Wahl der Farben. Die schließlich meine Farben sind, die sich nur selbständig gemacht haben.
Interessant zu lesen – und sich des Gegensatzes in unserem Verhalten bewusst zu werden. Ich mag nicht dauerhaft auf meinen oder gar anderer Spuren arbeiten, sondern bevorzuge die unbefleckte Fläche …
Danke, Christiane! Ich denke, es gibt verschiedene Phasen, ich kann mir auch einen “Neustart” vorstellen, irgendwann. Solange mich die Spuren nicht stören, geht es so. Je nach Technik, saut frau mehr oder weniger herum…