Ich bin konservativ

Eigentlich passiert mir so etwas nie, dass ich mich auf irgendwelchen Seiten länger aufhalte und mich darauf einlasse, Fragen von einem Quiz zu beantworten, was zur Folge haben soll, dass ich eine Erleuchtung erlebe und mein Designstil als Ergebnis von der Maschine ausgespuckt wird. Doch, ohne ins Detail zu gehen, trotzig vom Haus aus, hab ich geklickt. Und es hat mich erschlagen mit der Diagnose: Du bist konservativ!
Schluck. Niemals. Vorsichtig um mich herum geschaut. Nachgedacht. Erleuchtung.

bunt lackierte Metalldosen

(Scroll down down down for the English summary)

Die Erklärung dieser Erkenntnis ist etwas verwinkelt. (Politik bitte komplett beiseite legen!) Die Gegenstände im Quiz (den Link finde ich leider nicht mehr) waren nach verschiedenen Tendenzen, die zur Zeit sichtbar sind, sortiert: Minimalistische Linien, skandinavische Holzverlattungen, Kunststoffteile mit dem Hauch der 70er, Bohofransen und vieles mehr. Ich glaube, ich hab einfach Dinge gewählt, die möglichst entfernt von den Trends lagen, die in Kombinationen mit anderen Elementen eine relativ frische Erscheinung hatten und mit meinem Inventar tatsächlich zusammen funktionieren könnten.

lackierte bonbon dosen bunt

Gut, Neuheiten müssen sich bei mir immer erstmal beweisen, selten gibt es Objekte, die mir das Gefühl geben, ich vertraue ihnen, dass sie das sind, was sie versprechen, dass sie es auch in ein paar Jahren sein werden und dass mich ihre Beschaffenheit und Stimmigkeit mit einer Hoffnung für die ganze Entwicklung erfüllt. In verschiedenen Projekten habe ich gerne das Antike und das Supermoderne zusammengestellt, als Ansprechpartner füreinander und für die nötige Dramaturgie. So habe ich mich immer gesehen, als jemanden mit einer Zeitspanne im Blick.

zwei runde keksdosen lackiert
Aber konservativ? Konservativ sind doch Menschen, die an dem Alten hängen und keine Änderungen zulassen, und ich bin doch ganze Zeit am Umdenken.
Und dann habe ich das verstanden, was ich positiv mit dem Begriff verbinde, auch wenn es mit dem Sinn der Diagnose aus dem Quiz nicht viel zu tun hat. Konservieren! Bewahren! Auch reparieren, sehen was man hat und dazu stehen. Nicht wegschmeißen. Wenn es wirklich nicht anders geht, sich würdevoll von etwas trennen. Würdevoll ist für beide Seiten gemeint, für das eigene Gefühl und die Würde von einem Gegenstand, in dem letztlich Stoffe, Energie und Arbeit stecken, geschweige denn die Ladung an Geschichten und Emotionen.
bunte lackierte bonbon dosen
Vier Umzüge her, als ich alles, was mir gehörte in einen Rucksack und vielleicht zwei Kartons packen konnte, habe ich die gemacht: die lackierten Dosen, von gut erkennbaren Evergreens der Süßzeug-Industrie stammend. Bei jedem Umzug habe ich über deren Schicksal erneut entscheiden müssen, fand sie pubertär oder fast peinlich, im Vergleich mit den Profi-Möglichkeiten der Aufbewahrung. Nun, ich hab sie immer doch mitgenommen, auch wenn sie teilweise zur Kellerexistenz verbannt waren. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass sie weitere Umzüge überstehen werden. Bin halt konservativ.
keks und bonbon dosen farbig lackiert
zwei keksdosen farbig bemalt

ENGLISH SUMMARY: I am conservative
Actually I never get involved in answering quiz questions, which offer me experiencing an enlightenment by defining my design style. But I did it once and it killed me with a diagnosis, that the machine spat out: you’re conservative!
Swallow. No way. I looked around me carefully. Enlightenment.
The explanation of this is somewhat twisted. (Please put politics completely aside!) The items in the quiz (I can’t find the link anymore) were sorted by different current tendencies: minimalist lines, Scandinavian shiplap, plastic pieces with a touch of the 70s, boho-fringe and much more. I think I simply chose things that were as far from the trends as possible and that could actually work with my inventory.
Well, novelties always have to prove themselves to me first. I rarely trust objects to be what they promise and rarely does their coherence fill me with hope for the whole development. In various projects I used to match antiquity and super-modernity, as a context for each other.
But conservative? Conservative people are attached to the old and do not allow any changes, and I keep thinking about changes and perspectives most of the time.
And then I understood what I positively associated with the term, even if it doesn’t have much to do with the sense of the diagnosis from the quiz. Preserve! Fix, mend, repair! See what you have and stand by it. Don’t throw things away. If there’s really no other way, part from something with dignity. This is meant for both sides, for one’s own feeling, and the dignity of an object, in which ultimately materials, energy and work are to be found, let alone the charge of stories and emotions.
Four moves ago, when all my belongings could be put in a backpack and maybe two boxes, I made these: I painted some tin cans, well recognizable evergreens of the cake and candy industry. With every move I had to decide on their fate again, found them pubertal or almost embarrassing, compared to the professional storage options. Well, I finally took them with me, even though some of them were banished to the cellar. I’m pretty sure they’ll make it through many more moves. After all, I am conservative.

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