Kleinigkeiten erzählen viel über Maßstäbe, mit denen wir leben. Sie werden oft unterschätzt oder gar übersehen, machen aber trotzdem ihren Job wie die ganzen Unterholzbewohner in einem großen Wald. Gegenstände oder Ereignisse können kleine Sachen sein, was sie gemeinsam haben, ist, uns kurz zu beschäftigen und einen Perspektivenwechsel zu bieten.
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Beim Bäcker ohne Worte
Kleinigkeiten können einem den Tag retten. Das sind vor allem diese Interaktionen mit andern Leuten, die ein inneres Lächeln verursachen. Wie neulich in der Bäckerei, ein fragender Blick der Verkäuferin mit gehobenen Augenbrauen, mein Zusammenpressen der Augen über der Maske als Antwort, verstanden ohne Worte, bin ich mit dem Wie-Immer-Brot heraus spaziert. Normalerweise quatschen wir ein wenig, diesmal war es halt so.
Viel x klein = groß
Kleine Sachen sind erfrischend in der Welt der großen Sachen. Es wird auch behauptet, dass sie in der Masse tatsächlich was bewirken können. Dass wenn jeder an seinem Abdruck feilt, kann das für unsere Erde was bedeuten. Der Vergleich mit den furchtbaren Konzernen ist hoffnungslos, aber wenn jeder von Vielen etwas macht, dann kann es nicht egal sein. Wenn auch nur für den eigenen Blick in den Spiegel. Und wenn ich an etwas glaube, denn ist es so was, dies ist auch einer meiner Beweggründe gewesen, diesen Blog anzufangen.
Ich habe ein Problem mit dem Expansionszwang, befinde mich in der Phase der Fragen, wie wenig brauchen wir eigentlich? In der die Qualität des Lebens, die nicht von mehr, schneller und weiter bestimmt wird. So schärft sich auch der Blick für kleine Sachen, die Maßstäbe verändern sich.
Der Keks
Kleinigkeiten können einem aber auch so richtig auf den Keks gehen, dann merkt man, wie leicht es ist, aus der Fassung zu geraten. So entstehen Phänomene von der Sorte „Achdieschonwieder“ oder so. Sie gedeihen in Familien, knabbern an Nachbarschaften und bringen eine oder andere große Liebe zum Einsturz.
Abgehakt
Wenn ich nicht weiterkomme mit der Liste der großen TUDU-Sachen, mache ich auf einem Zettel ein paar Punkte, die Kleinigkeiten, die in 3 Minuten zu erledigen sind. (Nicht mit Five Minute Crafts zu verwechseln!) Wenn man sich umschaut, gibt es immer welche: Eine lang gezogene Masche im Pullover zu versorgen, eine lockere Schraube an der Türklinke fester zu drehen, damit man nicht mit dem Fingernagel dran hängen bleibt, ein paar Telefonnummern speichern, sodass die Zettel nicht mehr herumfliegen. Das ist ein guter Anfang, an einem grauen Tag etwas an der Welt zu verbessern. Meistens denke ich dabei: Mensch, musste das wirklich drei Wochen warten? Das Wichtigste dabei ist aber, ein Punkt auf der Liste abgehakt, geht doch, das Leben geht weiter und das Gefühl, etwas geschafft zu haben, erfüllt mich mit neuer Energie. Übertrieben? Natürlich, warum nicht, den Zustand kennt doch jeder, oder?
Kleinigkeiten und Maßstäbe
An einem Winterabend schimmerte auf dem menschenleeren Platz eine unscharfe Gestalt. Es war spät, kalt und dunkel und ich auf dem Weg nach Hause. Ich konnte die Konturen des Wesens nicht zuordnen, bis ich näher herankam. Es war eine alte Frau, wackelig auf einem Rollator gestützt, die sich mit größter Mühe wie in Zeitlupe zu Boden bückte, um die erbsengroßen Hinterlassenschaften von ihrem genauso alten kleinen Hund in die Plastiktüte zu pflücken. Niemand hätte je etwas gemerkt, geschweige denn darüber gestolpert. Dieser pflichtbewusste Balanceakt ohne weitere Zeugen hat mich beschäftigt, gerade auf dem Platz grassiert nämlich ein Hundebeutelverweigerer, dessen Haustier die Dimensionen eines Pferdes zu haben scheint. Hier muss ich aber bremsen, weil ich das Gebiet der kleinen Sachen verlassen würde.
Cantaloupe
In Interieurgestaltung haben zu kleine Sachen, ich meine Sachen mit kleinen Abmessungen, im Moment schlechte Karten. Dafür sorgt die Cantaloupe-Regel, die besagt, dass Gegenstände, die kleiner sind als eine Cantaloupe-Melone auf unseren Regalen nichts zu suchen haben, denn die kleinen Staubfänger machen die kultivierte Umgebung unruhig und lassen am Designbewusstsein ihrer Besitzer zweifeln. Mich faszinieren solche Glaubenssysteme, die wie Pilze nach dem Regen auftauchen und wahrscheinlich nur eine versteckte Botschaft an die Konsumgesellschaft sind: „Weg mit den kleinen Sachen, kauf sofort etwas in der Melonengröße“. Ich muss lachen, wenn ich mir vorstelle, wie jemand tatsächlich mit einer Melone durch die Wohnung läuft.