Minimalistischer Lebensstil und was sich digitalisieren lässt

Angeblich ist es möglich und ratsam, 150 Gegenstände zu besitzen. Ich bewundere die Leute hinter den minimalistischen Lebensstil-Blogs, die tatsächlich so reduziert funktionieren und diese Idee verbreiten. Das meine ich ohne einen Hauch von Ironie. In der Zeit des Lockdowns habe ich das von vielen Freunden gehört, dass sie sich mit der Idee auseinandergesetzt haben. Ein Teil von dem Prozess, den minimalistischen Lebensstil einzuführen, wäre die Digitalisierung von alldem, was sich digitalisieren lässt.

Seidenpapier mit Fotografie darunter und kleine Gegenstände verteilt

(Scroll down down down for the English summary)

Habt ihr schon mal versucht, die 150 Sachen auszuwählen?
Bei mir wären das wahrscheinlich die Pinsel und Tuben mit Farbe, upps kein Platz mehr für die Zahnbürste!

Ich arbeite daran, das, was ich habe, gut zu organisieren, damit nichts im Wege steht oder in der letzten Ecke verstaut wird, wo es nur schlechte Energie aufbaut. Auch daran, dass es wirklich weniger wird.

Ich versuche keine Sachen zu haben, die ich nicht selbst demontieren und transportieren könnte. Ein paar gehören leider nicht zu dieser Kategorie. So kann ich auf meine Zeichenschränke aus Metall nicht verzichten. Wie gerne wäre ich leichter, beweglicher mit meinem Kram! Die komplette Umstellung ist gleichzeitig unvorstellbar. (Exkurs: Nein, so nicht, und zwar, mein Prof hat sich bitter amüsiert über Leute, die theatralisch „Das kann ich mir gar nicht vorstellen“ riefen. Er sagte: „Wie kann man seine begrenzte Vorstellungskraft dermaßen betonen??“.)

Also, nicht unvorstellbar, aber durchaus unerwünscht.
Das Leben mit Büchern! Platten hören!
Minimalistischer Lebensstil kleine Gegenstände auf Seidenpapier
Minimalistischer Lebensstil und Digitalisierung kleine Objekte auf Seidenpapier
Wer alles – um es materiell nicht zu haben – digitalisiert, hat zwar (auf eigenem Feld, global ehmm fraglich) vielleicht eine gute Bilanz, aber davon abgesehen: In einem Moment kann das alles einfach, Paff!, verschwinden. Welche Abhängigkeit von Systemen begleitet diese Leichtigkeit. Welche Unhaptik bei nicht existenten Büchern, denen die Widmungen und Notizen fehlen, Notizen in echten Büchern, die einem damals so wichtig waren und von denen man heute nicht mehr weiß, warum.

Digitalisierte Familienfotos riechen doch nicht nach alten Alben und dazwischen flüstert kein transparentes Papier mit Spinnennetzprägung. Wenn sie gescannt sind, sind die Bilder zwar da, aber deren Geist irgendwie nicht mehr.
Also haben alle solche Entscheidungen fifty-fifty positive und negative Folgen, so sehe ich das. Man hat Platz, Dinge nehmen uns nicht mehr die Luft weg, klar. Ob wir sie irgendwann vermissen werden? Das wissen wir heute nicht. Was machen wir mit dieser Luft?
Ich habe jedenfalls nicht vor, meine Alben zu digitalisieren – meine Großeltern sind zwar in der Cloud, ihre Fotos aber nicht.

Komposition aus Fotografie und kleinen Objekten auf Seidenpapier

ENGLISH SUMMARY: Minimalist lifestyle and what can be digitized

Supposedly it is possible and advisable to own 150 objects. I admire the people behind the minimalist lifestyle blogs that actually live in such a reduced way and keep spreading this idea. I mean that without a hint of irony. During the time of the lockdown, I heard that from many friends that they were considering to reduce this way. Part of the process of introducing the minimalist lifestyle would be the digitisation of everything that can be digitised.
Have you ever tried to pick out the 150 things? With me that would probably be the brushes and tubes of paint, oops, no more room for the toothbrush!
I try to organize what I have as well as possible, so that nothing gets in the way or gets stowed away in the last corner where it only builds up bad energy. And also that it is really getting less.
I try not to have things that I could not dismantle and transport myself. A few unfortunately do not belong to this category. I cannot do without my metal drawing cabinets. How I wish I were lighter, more flexible with my stuff! The complete changeover is at the same time unimaginable (Digression: No, not like that, namely a professor of mine was bitterly amused about people who theatrically shouted “I can’t imagine that at all”. He said: “How can you emphasize your limited imagination to such an extent?”). Well, not unimaginable, but certainly undesirable. Living with books! Listening to records!
Whoever digitizes everything – in order not to own it materially – may well have a good balance sheet (in his own field, globally ehmm questionable), but apart from that: in a second all this can, puff! disappear. What dependence on systems accompanies this lightness. What an inhapticism with non-existent books that lack the dedications and notes, notes in real books that were so important to you at the time and of which today you no longer know why. Digital family photos do not smell like old albums and there is no transparent paper with spider web whispering between pages. When they are scanned, the images are there, but somehow their spirit no longer is.
So all such decisions have fifty-fifty positive and negative consequences, that is how I see it. There’s room, things don’t take our air away, sure. I wonder if we’ll miss them someday. We don’t know that yet. What do we do with this air? Anyway, I am not going to to digitize my albums – my grandparents are in the cloud, but their photos aren’t.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.