Was kann man frisch umgezogenen Freunden ohne Risiko schenken? Uns haben Freunde zum ersten Besuch ein paar schöne Seifen aus Schafmilch geschenkt. Vier kleine Bausteine und ein Schaf fanden ihren Platz auf einer Ablage im Bad. Und damit fing der Unsinn an. Rituale werden oft unterschätzt!
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Kein Besuch im Bad konnte ohne eine Umstellung der Seifenklötzchen erfolgen.
Wenn es eine Unendlichkeit der Möglichkeiten gibt, haben wir sicher 85% davon getestet.
Das Tier war zwischen den Bausteinen gefangen, auf eine Treppe auf- und absteigend gestellt, hingelegt, versteckt, in ein fiktives Gebäude eingebaut, Klötzchen bewegten sich gerade und schief, der Wechsel ihrer Reihenfolge war das Mindeste innerhalb einer Konstellation.
Das hatte fast zufolge, dass wir ohne belegbare Gründe ins Bad reinschauten nur um zu sehen, was sich verändert hat. Manchmal erklang ein Lacher aus der Richtung.
Mehr oder weniger sinnvolle Rituale begleiten uns alle, ob wir es wollen oder nicht. Mechanische Abläufe oder kleine Zwänge, harmlose Schleifen, denen wir nicht unbedingt viele Gedanken schenken. Oder – wie das bei unseren Seifen der Fall war, zum kultivierten Brauch werden.
Ich muss mich an der Stelle entschuldigen, denn als ich darüber nachgedacht habe, welche Rituale ich als Kind hatte, wurde mir etwas mulmig. In einem sehr alten Treppenhaus, in dem ich regelmäßig ins dritte Stock ging, gab es eine kleine Zugabe zum gravierten Namensschild auf einer der Türen. Ein mit Bleistift von Hand geschriebener Zettel mit einem Namen, befestigt mittels einer Stecknadel im Holz. Was für eine leichtsinnige Befestigung! Ich kann mich erinnern, dass ich regelmäßig diese Stecknadel herauszog und das provisorische Namensschild lautlos auf die Fußmatte legte, als wäre es einfach von der Schwerkraft mitgerissen worden.
Mein Ritual wurde auch zum Ritual der anderen Person, die wiederum genauso regelmäßig wochenlang die Nadel ins Holz zu stecken pflegte. Fast ein halbes Jahrhundert später ist es mir wirklich peinlich, was natürlich nicht viel wiedergutmachen kann.
Zurück zum Bad, nachdem sich das Spiel etablierte habe ich oft daran gedacht, einige Gruppierungen auf Fotos fest zu halten. Dazu kam es nicht, das Licht war nicht besonders günstig und die Silikonfuge der Fliesen passte mir am Tatort gar nicht. So habe ich jetzt ein paar Beispiele nachgebaut, um die Dramaturgie anzukurbeln. Nachgestellte historische Szenen… So ist es nun.
Das nehme ich in Kauf, weil das Thema Unsinn momentan, meiner Meinung nach, viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommt. Unsinn gibt es zwar in Tonnen, hier geht es aber um Qualität: Gemeint ist die seltene, spontane, echte, leichte Sorte.
Die Wichtigkeit von purem Unsinn wird mächtig unterschätzt. Routinen und Rituale sind manchmal so eingespielt, dass wir sie gar nicht als solche identifizieren. Aber Quatsch, Quatsch brauch der Mensch! Irrationales, Absurdes, Abstraktes, das uns aus dem strengen Gitter Alltag-Arbeit-Nachrichten-Nahrung-Wasauchimmer kurz auf die Seite zieht und sagt hey, kicher mal! Unsinn macht Sinn, das soll auch unsere Gehirnzellen unterstützen und assoziative Prozesse begünstigen, hilft Abstand zu schaffen. Und wenn es auch nur eine kurze Pause im Ernst des Lebens bedeutet, ist es ok.
Liebe Magda, die Bilder rühren mich an, obwohl es eindeutig unbelebte Objekte sind. Das Schaf ist so süß. Ich mag die gestellten Szenen, die für mich kleine Geschichten erzählen. Und wIe lustig ist die Idee, dass bei jedem Gang ins Bad eine neue Konstellation entsteht. Toller Unsinn! Ich danke dir für die Leichtigkeit, die du damit bei mir ausgelöst hast.
Liebe Inge, das freut mich! Ich danke Dir.
haha! was für eine klasse idee!
das ist ein feines projekt, still, erheiternd, frisch…
kann mir vorstellen, dass es hin und wieder laute
lacher gibt. aber auch immer leises lächeln und
staunen…
herzlicher gruß
Sylvia
Danke, Sylvia! Genauso ist es. Wenn man keine Katze hat, muss man seinen Unsin selbst basteln… Grüße zurück!