Was macht einen Stuhl aus? Obwohl es so viele gute und sehr gute Stühle gibt, werden immer wieder neue Modelle erfunden. Warum eigentlich? Die Aufgabe, das perfekte Sitzmöbel zu erschaffen, ist nicht einfach. Eine immer aktuelle Ambition seit Generationen von Gestaltern… Sitzen muss ja bequem sein und über längere Zeit beim Lesen, Essen oder so ausgehalten werden.
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Bevor man sitzt, muss man sich aber hinsetzen. Und dafür manchmal einen Stuhl herausziehen, und manchmal muss das mit nur einer Hand bewältigt werden, zum Beispiel in einer Bibliothek, wenn in der anderen Hand Bücher oder im Café ein Getränk gehalten wird. Bei vielen Stühlen ist das schon problematisch und erfordert den vollen Körpereinsatz. Dafür ist das Gewicht des ganzen Möbelteils von Bedeutung, denn es muss womöglich dabei angehoben werden. Die Rückenlehne ohne eine entsprechende Profilierung oder andere Möglichkeiten, sie zu greifen, bringt die Hand zum ratlosen Ausrutschen. Die Rückenlehne ist ein Kapitel für sich: die Höhe – Nieren-, Rippen- oder Kopfstütze, gepolstert oder nicht, voll oder nur aus Sprossen bestehend und so weiter.
Auch bereits im Sitzen muss man eine Möglichkeit haben, an den Seiten oder vorne unter die Sitzfläche zu greifen, um sich an den Tisch wieder heranzuziehen.
Menschen, die gerne zusammen mit dem Stuhl schaukeln, wissen, dass manche Stuhlbeine sehr hinterhältig wegrutschen. Stühle auf einem runden Fuß, wie einige 70er Jahre Klassiker, eignen sich zum Schaukeln überhaupt nicht.
Die Sitzfläche ist scheinbar eine Selbstverständigkeit, hat aber auch einige Tücken. Zum Beispiel, wenn eine Samtpolsterung eine Richtung hat, die einen Sitzenden ständig auslädt. Oder, ganz aus glattem Kunststoff, das „muopf“ macht, wenn man versucht, aufzustehen. Oder, „pfft“, Jacques Tati Akustik!
Oder, ein Sommeralbtraum – Geflecht, das sich auf dem Allerwertesten für lange Stunden einprägt. Oder Kunstleder – och! ist der Sitz vorher schon nass gewesen??
Na gut, sitzen tut man aber mit dem ganzen Körper und nicht nur die Belange des Gesäßes sollten berücksichtigt werden. Was machen die Arme auf den Armlehnen, schaffen sie es, darauf zu ruhen oder rutschen sie immer wieder weg, weil jemand eine innovative Rundung geschaffen hat, obwohl die Unterarme keine entsprechende Evolution durchgemacht haben?
Was kann noch alles schiefgehen? Zum Beispiel kann der ganze Stuhl, aus welchen Gründen auch immer, aus Metall gemacht werden. Kalt. Ohne Kissen oder Decke nicht denkbar, egal ob die Flächen auch aus Metall oder zum Beispiel mit Mosaik gefüllt sind – wer soll freiwillig auf so einer kalten und harten Fläche sitzend die Zeit verbringen?
Weitere Kriterien sind natürlich die Materialwahl und Verarbeitung, man könnte unendlich viel darüber schreiben, es gibt sehr viel Literatur zum Thema. Die Punkte, die ich hier skizzenhaft erwähnt habe, sind nicht unbedingt für Gestalter gemeint, sondern vielmehr für Menschen, die eine Anschaffung überlegen und die nicht ganz leichte Entscheidung treffen sollten. Natürlich findet man hier keine konkreten Produktempfehlungen, aber eine Checkliste als Entscheidungshilfe. Denn ein unüberlegter Kauf bedeutet einen täglichen Ärger, dafür kann eine gute Entscheidung Menschen ein Leben lang erfreuen. Wenn man alle diese Faktoren berücksichtigt, in Verbindung mit der (last but not least!) Ästhetik, Stabilität, Pflege und und und, ist es verständlich, dass die Aufgabe, einen idealen Stuhl zu entwerfen, ein Evergreen bleibt.
Übrigens, was eine Tasse ausmacht findet Ihr hier.
Sehr schön auf den Punkt gebracht – ich bin ein Fan der Einhandbedienung ohne bleibende Eindücke! 😉
Danke, Dagmar! Ich freue mich, dass es nicht nur mir so geht.