Meine Freundin war entsetzt: Das meinst du nicht wirklich!
Büroutensilien aus verschiedenen Zeiten, die eins gemeinsam haben: Sie sind schwarz. Mit kleinen Ausnahmen, sind es schwarz lackierte Metallgegenstände, dazu passende Kästen oder Mappen, Schreibgeräte, Stempel.
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Die Idee war, dass eine Nische in meinem Arbeitszimmer schwarze Wände und einen schwarzen Tisch bekommen würde, dazu würden alle diese Gegenstände passen und vor allem würden sie dort benutzt werden. Unter sich bleibend, als gegenseitige Bestätigung ihrer Ästhetik. Eine alte Werkstattlampe dazu, davon habe ich viele.
Keine Elektronik. Eine antike Schreibmaschine, entsprechende Locher und Hefter, verschiedene Lupen; Notizbücher und Mappen mit Einbänden aus schwarzem Papier oder Leder. Zu den Metallutensilien gesellen sich leicht verwandte dunkle Pappen oder Bakelit, nicht immer ganz aber fast schwarz. Oder lackiertes Holz, eventuell frühe Varianten von Kunststoff.
Es gibt deutliche Spuren der Vergangenheit, Kratzer und abgenutzte Stellen.
Die Sachen passen stilistisch zusammen, stammen aber aus unterschiedlichen Zeiten. Einige davon haben zum Beispiel dem Onkel meines Vaters gehört, wie die große Lupe und der alte Locher. Sie entstammen den 30er Jahren, denke ich, genauso wie die Mappe mit Buchhaltungstabellen, die er gestaltet hat.
Die Schreibmaschine ist von 1935, die Seriennummer lautet V713734.
Vieles ist jünger, denn schwarze Eleganz findet sich in Produkten aller Zeiten wieder, auch heute.
Wäre so ein Büro zu theatralisch? Tatsächlich erinnert diese Stimmung an kafkaeske, ernste Situationen. An Momente der amtlichen Skurrilitäten ohne Ausweg, wo die Schwärze der Requisiten die Dramaturgie betont. Gegenstände als Mitgestalter einer Machtposition. Theater des absurden bürokratischen Labyrinths…
Es ist nicht ausgeschlossen, dass die, die ich aus unbekannten Quellen habe, eine ungewisse Vergangenheit in sich tragen. Vielleicht dunkle Energie aus einem tatsächlich existierenden Amt. Oder auch nicht. Genauso, wie die Oldtimer Autos, auch in schwarzen Lack gehüllt, wie wir sie aus den Filmen kennen, als Kribbeln im Bauch eingesetzt werden – oder nicht, einfach nur hochpoliert und elegant…
Bei diesen Objekten spüre ich nichts Konkretes, warum vermute ich, dass ich so etwas erkennen würde? Der Charakter im Allgemeinen, das Schwarze als Moment der Konzentration, fasziniert mich. Ich stelle mir vor, in so einer Nische gut arbeiten zu können, von Hand oder auf der Schreibmaschine schreiben, in schwarz gekleideten Skizzenbüchern zeichnen. Keine Ablenkung durch die mir so wichtigen Farben. Naja, heftige Ablenkung leider durch Staub, der sich auf den schwarzen polierten Oberflächen mit Genuss absetzt. Aber jetzt nicht kleinlich werden.
Die Stimmung von so einem Büro könnte, wie bei der entsetzten Freundin, negative Assoziationen wecken. Zwanziger, Dreißiger… Dabei muss ich an andere Epochen denken, die auch immer doppelte Gesichter trugen. Wie die Fifties, mit geschwungenem Rockabilly Design in Lollipop Farben, die auch von dunklen Geschehnissen gezeichnet waren. Wie die Sixties, die 70er… Und jetzt? Diese Dualität hält vielleicht alles im Gleichgewicht? Es können also noch so bunte und kultige Elemente Erinnerung der Zeiten tragen, die vergangen sind; die Kehrseite lauert im Schatten.
Ich denke, das ist teilweise der Grund, weshalb Menschen aus bestimmten Generationen auf die Zeichen der Zeit sehr emotional reagieren. Freunde aus (fast) der Generation meiner Eltern teilten meine Sammelleidenschaft für 50er Jahre Blumenhocker nicht, im Gegenteil, sie fanden sie abstoßend.
Müssen die Gegenstände dadurch immer mit ihrem Kontext bestrahlt sein, oder können wir ihre Karma so zu sagen bereinigen? Vielleicht muss viel Zeit vergehen, um Dinge in einem anderen Rahmen zu entdecken, einen neuen Rahmen für sie erschaffen? Noch ist mein schwarzes Büro nicht entstanden, aber beim Fotografieren hatte ich wieder Lust, es zu versuchen.
Solange Du Dich dabei wohlfühlst, ist wahrscheinlich alles gut.
Ich interpretiere Deine LIebe zu Schwarz tatsächlich als die zeitweise aufkommende Notwendigkeit, Distanz zu allem Farbigen zu erhalten, den Moment des „Runterkommens“ um neue Kraft und damit auch Ideen zu schöpfen.
Genau, das hast Du gut erkannt Ulla, so eine Kapsel ohne viele Reize von draußen… Das wird noch lange in Theorie bleiben, aber irgendwann, wer weiß?