Auf der Zeitachse zwischen der Mosaik der Antike und den aktuellen digitalen Bildern gibt es diese Gestalten: Untersetzer aus Glas-Walzenperlen. Eine kleine aber stolze Spezies, die immer neue Liebhaber findet.
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Mich als Farbfetischistin mit Affinität zu Glas haben sie auch verzaubert. Die Haptik ist großartig, die Deckchen lassen sich in eine Richtung zusammenrollen, einzelne Perlen drehen sich wie Teile eines Fließbands.
Die Farbgebung der Walzenperlen ist sehr lebhaft, es lassen sich Nuancen finden innerhalb jeder Farbrichtung. Ihr Glanz ist meistens gut erhalten, dadurch wirken die Farbtöne tiefer. Einfach lecker!
Eine Omas-Pixel-Weltdarstellung besteht aus sehr simplen Motiven. Die Entdeckung, dass aus sieben Perlen eine Blume gemacht werden kann, hatte fatale Folgen: Die Blumen beherrschten diese kleine Welt.
Traditionelle Motive, die als Untersetzer auf dem Tisch landeten und die Tischwelt selten verlassen haben, beschäftigten sich mit Floralem, Essbarem und Dekorativem. Zum Beispiel wurde ein Osterhasenpaar treu nach Mustervorlage in mehreren Farbvarianten ausgeführt.
Populär waren auch Namen der Orte. So unser Sans souci, da haben wir Glück, dass es symbolisch auch für sorgenfrei steht, nicht nur für den Potsdamer Palast…
Alle Motive mussten mit einer abgestuften Vereinfachung rechnen, es sind aber trotzdem erkennbare und faszinierende Designs möglich. Die Präzision der Entwürfe erinnert mich an die Erstellung von Favicons. 10 dpi etwa.
Die Zeit und Geduld dieser Handarbeit erinnert an Kreuzstich-Stickereien, wobei dort, wie bei grafischen Pixeln, die einzelnen Elemente meistens auf anderem, rechtwinkligen Raster basieren; bei Walzenperlen sind die Reihen, wie im kleineren Maßstab bei Peyote-Technik, immer versetzt.
Die gestalterische Freiheit haben sich die Deckchen genommen, als sie einfach Linien und Felder ohne Verbindung zum Alltag darstellten oder etwas größer wurden, dann aber auch gleichzeitig schwerer, denn Glas wiegt… Es gab auch 3D Versuche, als Schachtel oder Tonne, um einen Blumentopf zu verstecken.
Ich kann nicht behaupten, dass ich sie sammle, es haben ein paar solcher Untersetzer einfach zu mir gefunden. Die beschädigten, die ich nicht repariert habe, hab ich aufgelöst und gebadet, damit ich aus ihren Atomen neue Flächen flechten kann.
Vor ein paar Jahren habe ich auf Ebay lose Perlen gekauft, da kam eine Kopie der alten Anleitung und eine herrliche kleine Pappe mit darauf genähten Perlenmustern, nach Farben sortiert, mit dem Stempel des Händlers.
Reparatur von den Walzenperlendeckchen ist nicht einfach, eigentlich muss die Struktur bis zur beschädigten Stelle aufgelöst und neu gebaut werden, die Nadel oder Nylonfaden können in dem fertigen Werk nicht gut durchgezogen werden.
Aus meinen losen Perlen mache ich ab und zu Armreife, die meistens aus zwei Reihen mit einfachem Farbenspiel bestehen und so die Tischwelt verlassen haben. Einmal habe ich ein Deckchen für meine Freundin gemacht, im Stil von den klassischen Untersetzern, mit einem etwas ungewöhnlichen, eigenen Motiv einer weißen Ratte, als Andenken an ihre verschmusten schneeweißen Haustierchen. Die Vorlage habe ich im CAD erstellt.
Leider weiß ich nicht genau, wann diese Walzenperlen Mode anfing. Viele Quellen behaupten, es handelt sich um DDR, 50er-60er Jahre, danach waren dort Walzenperlen aus Plaste populär. Ich würde gerne erfahren, ob es so etwas bereits früher gab. Wann wurden die Perlen (Firma Haco/Hacor/Hacon?) produziert? Bisher hat meine Suche im Netz nicht viel gebracht. Vielleicht kennt jemand die Antwort?
Liebe Magda, Du wunderbares Farbengenie!!
Manchmal, so wie jetzt, möchte ich mich in Deinem Gehirn umsehen, wie in einer Kunstausstellung, die nie endet.
Ich kenne diese Untersetzer aus meiner Kindheit und berührte sie gern, weil sie so einladen zum Spielen. DANKE!
Danke Ulla, schön dass sie Dich auch ansprechen! Wann war das, als Du damit gespielt hast? Bid bald
Oh meine kleine Ratte! oder vielmehr eine Ratte namens Mizia [Mizzia]. was für Erinnerungen! Untersetzer, liegt in einer Glasvitrine an einem Ehrenplatz, zwischen alten Büchern und alten Tassen. Mein Deutsch ist Google Translation, sorry.
Ach danke Dir! Ich habe Deine Mizia sehr gerne auf der Schulter getragen!
Firma HACO … Stuttgart … Hauptstätter Strasse bis ca. 1975. Wurde von Vedes aufgekauft. Die Glasperlen gab es ca. 1880 bis ca. 1970. Also ca. 90 Jahre kann. VG Regine
Herzlichen Dank, Regine, für die wertvollen Infos! Viele Grüße!