Am Schlimmsten sind die Umzüge, wenn man das Leben mit Büchern betrachtet. Da schimpft man über die Tonnen, die geschleppt werden müssen, ist über jede Schwarte, die im öffentlichen Bücherschrank (danke, dass es sie gibt!!) gelandet ist, glücklich und schwört, beim nächsten Mal alles auf einem USB-Stick transportieren zu können. Nur diesmal noch nicht…
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Für den Fall, dass sich dieser Blog ein paar Jahre behaupten sollte: Ein USB-Stick ist eine Lebensform der letzten 20 Jahre, die es ermöglicht, Daten zu speichern und zwischen verschiedenen Rechnern, Geräten usw. zu transportieren. Es kann sein, dass es diese Lebensform in den nächsten 10 Jahren nicht mehr geben wird. Ein Buch: Die Geschichte kann hier nachgelesen werden, und ich bin ziemlich sicher, dass es in der klassischen Form nicht verschwinden wird.
Was bedeutet Leben mit Büchern für mich? Ich meine hier nur die Materialität der Bücher – die Haptik, die Präsenz, die Schrift im Raum, nicht ihre Inhalte.
Es wird schon einen Grund haben, dass sprechende Köpfe im Fernsehen und in den Dokus oft ein Bücherregal im Hintergrund haben wollen.
Irgendwann hab ich mich mit den Systemen auseinandergesetzt, wie Leute ihre Bücher einsortieren, nach welchem Prinzip. Thema, Größe, Farbe, alphabetisch und so weiter. Eine Freundin hatte ein System, das nach Megachaos aussah. „Nach Mögen“, sagte sie.
Mein erster Blick jeden Morgen geht in Richtung eines überfüllten Bücherregals und das erste, was gelesen wird, sind Buchrücken. Die Hochkant-Titel in verschiedenen Größen und Farben lassen sich besser oder schlechter einzoomen und scharfstellen, die Mantra der gleichen Begriffe sagt mir jeden Morgen, dass ich zu Hause bin. Das wäre nichts für die Menschen, die beinahe hotelartige, sterile Schlafumgebung benötigen, um den Schlaf durch keine externen Energien zu beeinflussen. Meine Theorie ist, dass gerade diese Bildbände ihre künstlerische und gestalterische Ladung langsam in meine Träume ausstrahlen.
Es sind vor allem Bildbände, die ich überhaupt noch kaufe, das ist meine Begrenzung des Bücherregals. Ich habe mich für diese Richtung entschieden, vor allem Bücher als Bildquellen zum Thema Ornamentik als Flächengestaltung aller Kulturen und Epochen zu sammeln. Alles andere, Romane, Geschichten, werden nach Möglichkeit von Freunden geliehen. Ich versuche das relativ rigoros zu halten, und das ist schon wirklich ein Schritt in Richtung Minimalismus, wenn man mich kennt.
Für mich sind Bücher tatsächlich eine Art der Wiedergabe der Kunst oder des Designs, die dem Original am nächsten steht. Natürlich ist es nur mein Gefühl, denn auch die beste Qualität der Reproduktionen lässt den Betrachter nicht ans Detail, irgendwann ist die Grenze erreicht, es kann nicht eingezoomt werden wie die Abbildungen auf dem Bildschirm.
Was ich noch mit einigen Büchern verbinde, ist der Duft. Hat das irgendeinen Grund, dass englische Bücher aus den 50-er und 60-er diese bestimmte Duftnote haben, nach der ich wirklich süchtig bin? Es ist doch nicht im Sinne des Erfinders, dass man beim öffnen eines Bandes die Augen schließt und tief einatmet… Parfümierte Druckerschwärze? Eine besondere Papiersorte? Einzigartige, links fahrende Staubpartikel? Bitte um eine Erklärung, wenn jemand die Lösung kennt.
Jetzt sind alle meine Bücher in einer Wohnung. Früher war das anders, ich hatte viele davon ein paar hundert km entfernt gehabt. Ich bin froh, diese Geste in der Luft nicht machen zu müssen, wenn die Hand nach oben greifen möchte zu einem bestimmten Titel und ich stelle fest, dass das Buch in einer anderen Stadt steht. Witzig, wie der Kopf manchmal langsamer ist, als der Arm.
Ich finde, es ist ein Luxus, eine ideale Situation zum Lesen zu haben, dazu gehören ein guter Sessel und optimale Beleuchtung aber auch eine Umgebung, die Ruhe und Konzentration gewährleistet. Zwei Adressen her hatte ich eine Empore im Dachgeschoss mit einem langen Regal und am Ende stand ein Sessel. Von dort hatte ich die ganze Miniwohnung im Blick, aber dort hoch zu klettern und in dem Sessel zu lesen, das war nichts zwischen Tür und Angel, das bedeutete, sich dafür Zeit zu nehmen. Zelebrieren.
Lesezeichen sind auch nicht für Computer erfunden worden. Es hat sich eine Sammlung ergeben, verschiedenste Modelle inklusive eigener Frühwerke aus der Grundschule, hmm ein Stück Schnur in die abgewaschenen Negative eingenäht, puh, was habe ich damit wohl sagen wollen?
Bücher verschwinden nicht, ganz im Gegenteil: Es gibt eine Tendenz, Bibliotheken als Zentren der lokalen community zu gestalten, wo die reine Funktionalität der Büchersuche und Ausleihmodalitäten durch viele zusätzliche Möglichkeiten ergänzt werden. Gemeinsam Zeit zu haben, Zeit zu verbringen, es dürfen dort Kinder spielen und es ist eine natürliche Umgebung für Gespräche oder Laptoparbeit. Wie in einem Café im Prenzlauer Berg. Klassische Bibliotheken sind dagegen mit Respekt und Schwellenangst beladen, ihr Aufbau als Tempel des Wissens weckt Demut und es ist sicherlich nicht einfach, hereinzuspazieren und sich wohl zu fühlen, wenn man das noch nicht geübt hat.
Zurück zum USB-Stick. Bei den Ausmistungsvorschlägen wird es oft behauptet, dass man sich von den Büchern ruhig trennen kann, da man sie sowieso nicht oft genug wirklich in der Hand hat, außerdem gibt es E-Books und im Netz ist sowieso alles. Es ist schwer bei Umzügen und es sammelt sich Staub, keine Frage. Für mich ist das Erlebnis, richtige Bücher im mich herum zu haben, mit Büchern zu leben, einfach zu wichtig.
Liebe Magda,
Dein Beitrag mit den tollen Mustern gefällt mir richtig gut!! Vielen vielen Dank dafür ! und Du sprichst mir aus der Seele zum Thema Bücher. Ich erinnere mich noch an Deine Empore! Und auch jetzt bei meinem Umzug kommt mein Lesesessel vor die Regale und ich genieße dann mit der Stehlampe das genüssliche Lesen und Erforschen der wichtigsten Themen meines Interesses.
Schöne Fotos und tolle Bücher!! Ganz herzliche Grüße Ulla
Danke Ulla! Wie schön, dass Du Dich noch daran erinnerst, ich denke diese Dachwohnung bekommt auch einen Blogbeitrag, auch wenn die Fotos von damals nicht sooo toll sind. Auch Dein Umzug ist bald vollbracht und dann ist der Lesesessel (was für ein Wort! 2xL, 4xE, 4xS!) die Oase nach dem Sturm. Liebe Grüße!