Die Zeit läuft im Mai schneller. Ich merke, dass ich hier zwei Wochen lang nichts gepostet habe. Das ist sowieso eine Anomalie. Der Mai kommt immer überraschend. Wie jedes Jahr verspreche ich mir, ihn nicht zu verpassen und bin wieder zu spät. Nicht nur klamottentechnisch, ich meine die mentale Umstellung.
(Scroll down down down for the English summary)
Immer wieder finde ich es faszinierend, wie die riesige Kastanie auf dem Hof ihre Designplanung im Griff hat und egal wie hoch oder tief zuerst die sirupglasierten Knospen, dann kleine Pfoten, und jetzt ganz große Handschuhe zusammen mit kerzenartigen Blütenständen verteilt. Und bald, wenn ich die erste haarige (von Stacheln noch keine Rede) kleine Kugel zwischen den Blüten auf dem Boden finde, die nicht als braunes Spielzeug im Herbst geplant und früher abgeworfen wurde, muss ich gleich an den Herbst denken. Ist das Melancholie? Immer wieder finde ich in Taschen die kleinen Mumien dieser ersten Kastanien vom Vorjahr.
Das Licht ist anders, das liegt nicht nur an den immer steileren Sonnenstrahlen, sondern auch an der Qualität der Luft, die irgendwie durch den Duft der überall explodierenden Blumen gesättigt ist. Diese Luft sorgt scheinbar auch für eine besondere Akustik – vor allem die Amsel am Morgen, in keinem anderen Monat hat sie (oder er, da der stolze Vater seine Arien erfindet und scheint dabei vor seinem leuchtend orangenem Schnabel nicht abgelenkt zu sein, den er ständig vor Augen hat) diesen bestimmten Hall, wie in einem Tonstudio in den Fifties. Hört ihr das auch?
Erste Woche Mai, das ist für mich immer die Ankunft der Schwalben, also eigentlich Mauersegler.
Früher habe ich regelmäßig Seminare im Harz gehabt und sie fielen immer auf die erste Woche Mai. Als ich danach wieder in Hannover war, waren die Mauersegler auch schon da. So konnte ich mir das merken und zu mindestens das nicht verpassen. Bei den Seminaren im Herbst war es mit dem Fahrplan genau umgekehrt, die erste Woche September war es, ich zurück und sie weg.
Aber jetzt sind sie hier und peitschen durch den Canyon der leicht gebogenen Straße, unauffällig und frech schauen sie unter den Rock der Traufe, wo sie die neue Generation vollstopfen, die bald mitpeitscht und mitpiepst.
Immer finde ich es unfassbar, wenn ich vor einem Gewitter mit einem Kaffee auf dem Balkon stehe, wie sie 1mm von meiner Tasse präzise vorbei fliegen und mit dieser Geschwindigkeit wenden können, um in unserem Luftraum ein Salto zu machen. Manchmal kann ich ihre Federn dabei hören, die klingen wie mein alter Regenmantel.
Das Licht und das Grün, nicht nur Maigrün, alle Töne auf einmal sind bei der Fotosession der grünen Stimmung dabei. Ein Versuch, Mai zu porträtieren, ohne ein Stück Natur im Objektiv. Mal schauen, ob‘s geht.