Wolle, ich meine Garn, ist als Material ganz genial – dazu ein Textiltext mit einigen Wollgedanken über Gewinn ohne Verlust. Ein Konzept, etwas zu stricken, tragen, wieder „untun“ nach dem englischen „undo“, schonend umwickeln (da kann ein befreundeter Elch hilfreich sein) und waschen, neu kombinieren und wieder stricken. Nachhaltigkeit! Eine der wenigen Sachen, die wir selbst recyceln können.
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So sind die Stricksachen in ihren Inkarnationen etwas schneller als wir selbst.
Und sie können so viele Informationen in ihrer Woll-DNA tragen! Geschichten von Omas violetten Weste, die dann von mir zu Mustern in verschiedenen Pullovern verarbeitet wurde, um sich wieder zu sammeln und als eine starke, diesmal nicht überall verstreute, immer noch sehr violette Wolle zu einem Pulli zu werden, in einer explosiven Mischung mit einer Terrakottafarbenen Wolle, die wiederum meine Tante ursprünglich als selbstgemachtes Häkelkleid getragen hatte.
Oma und Tante haben sich aber gut verstanden, also ist der neue Pulli auch in sich stimmig, auch wenn die beiden den Begriff “Slow design” noch nicht kannten.
Ich verwende oft alte Wolle, neu kaufe ich etwas dazu, wenn mir eine Farbe fehlt oder so.
Qualitativ meistens unübertroffen, aus der Zeit stammend, als Acryl als Bestandsteil der Garne noch nicht populär geworden ist.
Ich weiß als Stadtmensch viel zu wenig über die Prozesse, die mit der ökologischen und humanen Herstellung der Wolle zu tun haben. Die ideale Vorstellung davon ist oft von romantischen Schaf-Landschaften (also LandSCHAFten?) und Spinnerinnen am Spinnrad geprägt, es gibt natürlich auch Tatsachen, die dieses Bild zerstören, wie mulesing oder ökonomische Situation, die Farmer zum Vernichten der Wolle zwingt und das ist bestimmt nicht alles. Aber Wolle hat Potential und kann bei fairer Tierhaltung und Verarbeitung des Materials eine Qualität erreichen, die kein anderer Stoff hat. Wenn ich tatsächlich neue Wolle kaufen würde, dann nur die, bei der ich darauf vertrauen kann, dass sie auf allen Stationen ihres Lebens, vom Deichmähen bis zum Färben und Spinnen nur mit guter Energie zu tun hatte.
Die Bilder zu diesem Text sind übrigens mein Selbstgestricktes, aus verschiedenen Epochen.
Am Anfang, bei der ersten Masche ist immer dieser Respekt, welche Menge, wie viele Tausende davon noch gemacht werden müssen, bevor das Ganze eine Form annimmt und zu einem Kleidungsstück wird.
Etwa ein Gefühl beim ersten Kilometer von einer langen Reise, die gerade losgeht.
Aber die Maschen können auch gezählt werden, das bedeutet, die Arbeit ist nicht unendlich und findet irgendwann mit dem letzten Scherenschnapp ein Uff statt, absolviert.
Mitte März, als das mit dem Lockdown losging, dachte ich, dass ich ziemlich viel Zeit fürs Stricken haben werde. Komischerweise, ohne viel Zeit gehabt zu haben, konnte ich im letzten Jahr 3 Pullover fertigstellen. Jetzt geht das nicht und ich weiß nicht, was mich blockiert, denn konkrete Ideen sind da und Material auch und eigentlich fehlte mir nur die Zeit. Vielleicht denkt mein Hinterkopf, dass es zu plakativ wäre und dass ich mich mit viel ernsteren Sachen beschäftigen soll. Oder hat die trotzige Gehirnhälfte übernommen, und wartet, bis ich wieder keine Zeit habe, um mir dann die Erlaubnis zu erteilen.